In seiner bahnbrechenden Enquiry Concerning Human Understanding IV,1 von 1748 behauptet Hume, dass „die Beobachtung von menschlicher Blindheit und Schwäche das Ergebnis jeglicher Philosophie ist und uns auf Schritt und Tritt verfolgt, trotz jeglichen Bemühens unsererseits, dem zu entkommen oder es zu verhindern” (eigene Übersetzung). Humes skeptische Betrachtungsweise der Kausalzusammenhänge im Besonderen und seine daraus folgende Kritik an der Metaphysik im Allgemeinen beantwortet später Kant bezüglich der Kausalität in seiner Kritik der reinen Urteilskraft (1781), wo er die Metaphysik rechtfertigt. Dieser Aufsatz hat sich zum Ziel gesetzt, die Frage zu beantworten, warum Hume dachte, dass wir Kausalzusammenhänge nicht unmittelbar erfahren können. Zunächst wird gezeigt, wie Hume zufolge die Menschen Erkenntnisse gewinnen und wie problematisch die Schlussfolgerungen sind, die auf bestimmte Kausalzusammenhänge zurückgeführt werden, wodurch er die rationalistische Philosophie, insbesondere die rationalistische Metaphysik, widerlegt. Humes Infragestellung des Prinzips vom zureichenden Grund (principium rationis) beantwortete dann Kant in seiner transzendentalen Philosophie (Kritik A 784 / B 812).

Was macht Humes Philosophie so besonders? Es ist sein Elan, mit dem er von der natürlich bedingten Einsichtsfähigkeit des Menschen ausgeht, die auch alle Wissenschaften prägt, da „they [all the sciences] are judged of by their powers and faculties”1. Folglich kann der Mensch den Grenzen seiner eigenen kognitiven Fähigkeiten nicht entkommen. Um Fehler zu minimieren, geht Hume von der einzig vernünftigen Basis wissenschaftlicher Forschung aus, die er in der Erfahrung und der Beobachtung begründet sieht. Der Ursprung unserer Wahrnehmung liegt demnach in unseren „impressions”2. Dies wirft die Frage auf, was nehmen wir eigentlich wahr? Wie wissen wir, ob Substanzen existieren? Hume widerspricht Aristoteles‘ (Metaphysics VII, 1028a10-14) Definition von Substanz als Materie (ungeformter Stoff) und Form (gestaltete Materie), als auch seiner Unterscheidung von Substanz (Essenzielles) und Akzidenzien (Veränderliches/Zufälliges), und vertritt die Auffassung, dass es keine reine Substanz geben kann. Was wir wahrnehmen, ist ein Bündel von Akzidenzien (die Qualitäten), aber nicht die einzelne Substanz selbst.

Assoziationen in unseren Vorstellungen (als Kopien der „impressions”) entstehen aufgrund unserer Erfahrung von sich wiederholenden Fällen. Ein neuer Eindruck bildet sich aus einem Gefühl der Gewohnheit.3 In Humes Denkweise ist folglich unserer Substanzbegriff nicht objektiv, sondern subjektiv. Die Ursache der Notwendigkeit ist nicht in der Welt vorhanden, sondern in uns, da wir eine Regelmäßigkeit auf die Welt projizieren.4 Dasselbe gilt für einen anderen wichtigen Begriff der Metaphysik: das Kausalprinzip. Hume behauptet, dass wir nicht aus einem einzelnen Fall schließen, sondern aus einer kausalen Verbindung, ausgehend von mehreren, sich wiederholenden Fällen, schlussfolgern.

Das Problem des Kausalprinzips ist in Wirklichkeit ein Problem der Induktion, d.h. der Ableitung, da weder Ursache, noch Wirkung und folglich auch kein Kausalzusammenhang wahrgenommen wird. Genau genommen können wir nach Hume keinen Kausalzusammenhang erfahren. Hume demonstriert seine These anhand eines Beispiels mit Billardkugeln. Was sehen wir, wenn wir ein Billardspiel anschauen? Es gibt eine Billardkugel (b1) und eine weitere Billardkugel (b2), die beide ruhig auf dem Tisch liegen. Dann stößt ein Spieler (P) mit seinem Billardstock b1 an und b1 bewegt sich in Richtung b2, die sich daraufhin bewegt. Was wir sehen, sind zwei Kugeln, die zusammenstoßen und sich dann zu unterschiedlichen Zeitpunkten weiterbewegen:

b1 bewegt sich zum Zeitpunkt (t1) und b2 zum Zeitpunkt (t2) → Abfolge von Bewegungen

Das heißt also: Wir sehen lediglich eine Abfolge von Bewegungen und sonst nichts. Was wir nicht sehen, ist, was wirklich zum Zeitpunkt des Kontaktes passiert, wenn die beiden Kugeln zusammenprallen. Wir sehen nicht die Bewegungsenergie, die von b1 auf b2 übertragen wurde. Es gibt keine direkte Beobachtung zum genauen Zeitpunkt der Berührung. Wir nehmen nur die Veränderung nach dem Zusammenprall wahr:

b1 hält an (nun ruhend); aber b2 bewegt sich (in die gleiche Richtung wie b1 zuvor).

Gemäß der Physik des Kraftstoßes gibt es eine Veränderung des Impulses eines Körpers (Bälle). Die Geschwindigkeit von b1 und b2, wie auch die Reibung und Richtung von jedem Ball kann gemessen werden (als Umwandlung von Energie). Dem menschlichen Auge ist es jedoch nicht möglich, all diese Details in der Sekunde des Zusammenstoßes zu sehen.5 Wir können kausale Zusammenhänge weder beobachten, noch erfahren, sondern leiten sie aus der Gewohnheit ab (b1  b2). Kausalität ist dann also eine Art von Regelmäßigkeit durch Gewohnheit, die uns die Idee von notwendigen Kausalzusammenhängen eingibt (Treatise 1.3.14.20). Das Problem des Kausalprinzips ist ein Induktionsproblem, da unsere Prämisse (b1 bewegt sich und berührt b2, die sich danach bewegt) zwar gelten mag, aber die Schlussfolgerung (, dass b1 die Ursache für b2 ist) daraus nicht notwendigerweise folgt. Das Problem der Induktion ist die Verallgemeinerung vom Beobachteten zum Unbeobachteten. Die verallgemeinernde induktive Schlussfolgerung kann keine absolute Sicherheit garantieren aufgrund der Tatsache, dass sie in diesem Fall auf der Annahme von der Natur als einem homogenen Wesen beruht, welches wir dann in der Lage wären, gemäß den intrinsischen Naturgesetzen zu beschreiben. Kurz gesagt, es ist keine wahre Deduktion a priori möglich (Enquiry 1. 23) und keine wahre Induktion a posteriori, was die Kausalität betrifft, da wir keine Erfahrung von Kausalzusammenhängen haben können. Es gibt keine objektiv notwendige Kausalität, nur subjektive Regelmäßigkeit, resultierend aus Gewohnheit. Behauptungen über Kausalität sind “matter of fact” und folglich ungewiss, synthetisch und a posteriori, aber nicht notwendig.6

Humes Betrachtungen verneinen eine Realität, die unabhängig von einem Subjekt und folglich unabhängig von menschlichem Verständnis und kognitiven Fähigkeiten des Menschen ist. Diese Behauptung wird durch Humes Untersuchung von zwei zentralen Begriffen der Metaphysik – Substanz und Kausalität – gestützt, die als reine Assoziationsbündel beurteilt werden, die ihren Ursprung nicht in der Welt, sondern in uns selbst haben. So gesehen ist die Metaphysik nicht die höchste Form der intellektuellen Beschäftigung7, zu der der Mensch fähig ist, sondern leider nur bloße Illusion unsererseits. Dies zeigt sich eben anhand der Kausalität, weil Kausalzusammenhänge und deren Notwendigkeit nur eine Idee in uns ist, die wir auf die Welt projizieren. Nach Hume ist Kausalität eine Illusion und Selbsttäuschung des Menschen. In seinem Traktat schreibt Hume, dass „die Menschen mächtig von der Phantasie beherrscht werden”8, was erklärt, warum wir uns auf der Grundlage spekulativer Vorstellungen eine Meinung über die Ursachen bilden. Ursache und Wirkung unterscheiden sich und beides kann nicht durch die Vernunft entdeckt werden (Enquiry I, 25). Auf diese Weise stellt Hume das Prinzip des zureichenden Grundes in Frage, das besagt, dass alles einen Grund, Anlass oder eine Veranlassung haben muss, um dann eine bestimmte Wirkung zu haben (Treatise I, 3, 3). Sein Angriff auf das Prinzip des zureichenden Grundes führte zu Kants „kopernikanischen Wende”, die er mit der Transzendentalphilosophie vollzog: „ [...] die Erinnerung des David Hume war eben dasjenige, was mir vor vielen Jahren zuerst den dogmatischen Schlummer unterbrach und meinen Untersuchungen im Felde der speculativen Philosophie eine ganz andre Richtung gab.”9 Kant ist mit Hume einer Meinung, dass eine „Wiedergeburt der Metaphysik” (Prol. 4, 257) naht, aber er geht einen anderen Weg als Hume, indem er nicht die Vernunft, sondern die Vorstellungskraft als Schuldigen entlarvt, die „eine durch Erfahrung geschwängerte Phantasie (impregnated by experience)” (4, 258) ist, wodurch er aber durchaus Humes Schlussfolgerung ablehnt.10 Kants Untersuchung zielt auf eine Art kritischer Metaphysik, die nach synthetischen Urteilen a priori sucht, und in seiner eigenen Kritik der kritischen und reinen Vernunft gipfelt (Prol. 4, 261). Kant begründet eine neue Methode in der Metaphysik, um diese „auf den sicheren Weg einer Wissenschaft” zu bringen (Critique B vii), welcher sich zwischen den Empirikern (Locke, Berkeley und Hume) und den Rationalisten (Descartes, Spinoza, Leibniz) ansiedelt. Kausalität ist für Kant eine Kategorie zur Ordnung von Sinneseindrücken. Sein revolutionärer Kerngedanke besteht darin, dass wir als Subjekte den Gegenstand unserer Erkenntnis überhaupt erst schaffen. Im Denken erzeugen wir die Dinge so, wie sie uns erscheinen.11 Die Vernunft ist der Ursprung allen Wissens, und es entspricht aber auch der menschlichen natürlichen Vernunftanlage, jenseits des Physikalischen zu gehen, jenseits dessen, was aus den Erfahrungen abgeleitet werden kann.

Einig sind sich Hume und Kant in Bezug auf die Grenzen der menschlichen Vernunft. Ihre Schlussfolgerung hinsichtlich der Kausalität unterschiedet sich jedoch. Hume behauptet, dass Kausalität nicht durch Vernunft erkannt werden kann (Kausalität außerhalb der Vernunft), während Kant die Meinung vertritt, dass Kausalität im Erkenntnisbereich der Vernunft liegt, ergo vernunftmäßig erfassbar ist – und damit eine Möglichkeit der Metaphysik selbst ist.


1 David Hume: A Treatise of Human Nature. 0,4.

2 Ibid, I, 1, 1.

3 Ibid, I, 3, 14.1.

4 Ibid, I, 1, 6.

5 Dennoch nimmt das Ohr einen Klack-Laut beim Zusammenprall der Kugeln wahr. Es handelt sich um einen elastischen Stoß, bei der die kinetische Energie erhalten bleibt, d.h. die kinetische Energie von b1 und b2 ist gleich und es geht keine Energie verloren.

6 Hume’s fork (Enquiry 4.1-2) unterscheidet zwischen „relation of ideas” und „matters of fact” und legt fest, dass „matters of fact” auf Erfahrungen beruhen, aber nicht unbedingt wahr sind.

7 Aristotle: Metaphysik. XII, 1072b18-28.

8 David Hume: A Treatise of Human Nature. III, 2, 7.

9 Immanuel Kant: Prolegomena zu einer jeden künftigen Metaphysik. AA 4, 260.

10 Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. B 20.

11 Ibid, B xxii.