Der britische Empirist John Locke untersucht in seinem Essay Concerning Human Understanding (1690) die Formbedingungen von Erkenntnis und bestreitet, dass es dem Verstand innewohnende Ideen gibt. Pragmatisch beschreibt er die Fähigkeiten des menschlichen Geistes als „rational creature“ und als „faculties of knowledge“.1

Ausgangspunkt der Erkenntnis ist seiner Auffassung nach die sinnliche Wahrnehmung, und Erkenntnis entsteht nicht primär über Verstandestätigkeit, so wie Spinoza2 ausführt. Für Empiristen ist der Begriff „Verstand“ an sich sinnlos, wenn er nicht retrospektiv durch Erläuterung seiner Funktionsweise erklärt wird. Für Locke kommt der Mensch als unbeschriebenes Blatt, als eine „tabula rasa3 zur Welt, auf die sich Erfahrungen der Sinne als Wahrnehmungen der Außenwelt einschreiben. Prinzipien und Ideen sind das Resultat sinnlicher Wahrnehmungen, die durch Verstand erschlossen werden. Die Welt des Geistes ist von derjenigen der Außenwelt getrennt. Sie sind durch Erfahrung gewonnene, über den Verstand angeeignete, also nicht angeborene, mentale Repräsentationen von Sinneswahrnehmungen4 und werden so zu Bestandteilen unseres Wissens.

Locke unterscheidet zwischen „simple ideas“ und „complex ideas“, die die mentale Wirklichkeit ausmachen.5 „Simple ideas“ entstehen aus dem Reiz selbst. „Complex ideas“ werden in drei Kategorien von Relationen, Modi und Substanzen6 unterteilt.7 Interessant hierbei ist es, dass Locke behauptet, komplexe Ideen entstünden aus simplen Ideen, die widerrum als Sinneneindrücke (sensations) von unserem Bewusstsein interpretiert werden. Wissen entsteht empirisch durch äußere Erfahrung (sensation) und innerer (reflection) Verarbeitung im Geist.8

Wissen ist also verarbeitete Wahrnehmung, mit Lockes Worten:

„Knowledge then seems to me to be nothing but the perception of the connection of and agreement, or disagreement and repugnancy of any of our Ideas. In this alone it consists. Where this perception is, there is knowledge, and where it is not, there, though we may fancy, guess or believe, yet we always come short of knowledge.”9


1 John Locke: Essay Concerning Human Understanding I, 3.12.

2 Baruch de Spinoza: Ethik Ip30d.

3 John Locke: Essay Concerning Human Understanding II, 1. 2.

4 Ibid I, 1. 8.

5 Ibid II, 2. 1.

6 Vgl. primäre Eigenschaften vs. sekundäre Eigenschaften.

7 John Locke: Essay Concerning Human Understanding II, 12.1, 3 und 7.

8 Ibid II, 1. 2 und 4.

9 Ibid IV, 1. 2.