Was ist Wissen1, was ist Meinung und worin unterscheiden sie sich? Philosophen wie Parmenides von Elea, Platon oder Popper beschäftigen sich mit der philosophischen Bedeutung von Wissen (ἐπιστήμη) und Meinung (δόξα). Für Parmenides erschließt sich Wissen durch Vernunft, Meinung durch die Sinne, die aber täuschen können. Platon unterscheidet Erkenntnis von gerechtfertigtem, wahren Glauben im Theaitetos 210a-b (vgl. das „Gettier-Problem”2) und bestimmt sie im Menon 97e-98a als eine begründete Argumentation, die Bestand hat. Popper wiederum verneint die Existenz von gesicherter Erkenntnis, indem er jegliches Wissen in der Tradition von Xenophanes als bloße Vermutung desavouiert („Vermutungswissen”).

Während Wissen folglich objektiv, gesichert, wahr und unveränderlich zu sein scheint, zeichnet sich wahre Meinung dadurch aus, dass sie nur temporär gesichert, ohne Allgemeinanspruch, veränderlich und subjektiv ist. Diese Flexibilität, Dynamik und Bedingtheit ist es, was sie in den Augen von Descartes jedoch defizitär werden lässt (Meditationen II,12). Wenn folglich Erkenntnis nicht vom denkenden Ich und seinem Verstand getrennt werden kann, lohnt ein Blick in die stoische Epistemologie eines Zenon oder Epiktet und deren Idee einer „kataleptischen” Überprüfung, um eine Abgrenzung von Wissen und wahrer Meinung vorzunehmen.

Diogenes Laertios berichtet in Leben und Lehre der Philosophen über den stoischen Erkenntnisprozess bei Zenon als einem mehrstufigen Prozess, der seinen Anfang in der Wahrnehmung von Objekten und in der Vorstellung als „Eindruck in der Psyche” (VII, 45) als so genannte φαντασίαι nimmt, dann ein Erscheinungsbild durch den Verstand zugewiesen bekommt, um dann den Prüfstein der „erfassenden Vorstellung” zu bestehen. Je nachdem, wie dieser Prüfstein bewältigt wird, entscheidet sich, ob Wissen, wahre Meinung oder falsche Meinung vorliegt. Hierzu ein Überblick:

  • Ist die Vorstellung (φαντασίαι) wahr oder falsch?
  • Ist die Vorstellung erfassend / kataleptisch?
  1. Wenn die Vorstellung wahr und kataleptisch ist, dann ist sie Wissen.
  2. Wenn die Vorstellung wahr und nicht kataleptisch ist, dann ist sie wahre Meinung.
  3. Wenn die Vorstellung falsch und nicht kataleptisch ist, dann ist sie falsche Meinung.

Durch die Synkatathesis (logische Zustimmung) wird folglich falsches Denken verhindert, denn erst die Katalepsis bewirkt die wirkliche Erfassung eines Objektes in der Welt. Erst durch die Zustimmung verstehen wir Menschen, können wir Wissen erlangen und stabile Erkenntnis in unser Bewusstsein lassen.3

Wissen ist ein Zustand, den der Mensch aufgrund seiner ratio erlangt. Es ist ein sicheres Erfassen, das durch keinerlei Überlegung zu erschüttern ist und als solches scharf von der wahren Meinung zu trennen ist.


1 Wissen in der Form von “S weiß, dass p”, wobei S das Subjekt bezeichnet und p das propositionale Wissen.

2 Edmund Gettiers Artikel “Is Justified True Belief Knowledge?” (1963) zeigt auf, dass Platons, Chisholms und Ayers Versuche, ausreichende Bedingungen für Wissen zu begründen, fehlschlagen und gerechtfertigte, wahre Überzeugung (JTB) nicht gleichzusetzen mit Wissen ist.

3 Cicero zur stoischen Auffassung nach Zenon: Lucullus 145 und Acad. I, 41-47.