Nach Aristoteles begannen die Menschen zu philosophieren, weil sie sich über die Dinge um sie herum wunderten und daraufhin auch über Größeres Fragen stellten (Met. I 2, 982b12). Das große philosophische Dreigespann Sokrates, Platon und Aristoteles bot verschiedene Innensichten der Welt an auf eine Art und Weise, die nicht nur die westliche Kultur, sondern auch unsere Art zu denken und unser Erwachsenwerden geprägt hat. Was gibt es in der Welt? Zunächst habe ich einen Laptop vor mir und dann meine Gedanken. Doch was hat mehr reale Substanz und worin liegt der Unterschied? Dieser Artikel hat es sich zum Ziel gesetzt, eine klare Unterscheidung zwischen Universalien (moderne Ausdruck für Platons “Ideen“) und Partikularien (den Einzeldingen) zu finden.

Platons Auffassung von Idee beschreibt das Verhältnis von zwei Einzeldingen, die irgendwie auf das Gleiche hinauslaufen. Ein Beispiel: Auf einer Tafel steht die Zahl “4“. Eine Zahl kann auf zwei verschiedene Arten definiert werden: einmal als materielle Zahl “4“, die auf einer Tafel festgehalten wird, oder als eine immaterielle Idee der “Zahl“ in meinem Kopf, die nur als Zeichen existiert.1 Sprich, es gibt einzelne Zahlen wie die Zahl “4” (Partikularie) und es gibt etwas, das sie alle gemeinsam haben, nämlich die “Zahlenheit“ als die Wesenheit von Zahlen (Universalie). Folglich ist “Zahlenheit“ die Idee, die in allen Zahlen gegenwärtig ist. Ideen stehen hinter den einzelnen Dingen; sie sind deren Urbild, wie in diesen Fall “eine Nummer zu sein“. Ideen sind Einheiten, unabhängig von Zeit und Raum, und können laut Platon nur durch die Vernunft erfasst werden. Ideen sind jedoch keine mentalen Dinge. Sie existieren unabhängig, jenseits unserer materiellen Welt. Sie existieren, ob wir sie begreifen oder nicht. Es ist eine höhere Form der Existenz, die das Einzelding zu dem macht, was es wirklich ist. Demzufolge können Ideen begriffen werden als das Urprinzip, das jedem Ding zugrunde liegt.

Universalien sind abstrakte Dinge a priori, während Partikularien Einzeldinge in Raum und Zeit und dadurch konkrete Objekte a posteriori sind. Zur Unterscheidung ein Beispiel: Mein fünfjähriger Nachbar fragte mich kürzlich „Wer ist Gott?“. An dieser Frage fallen zwei Aspekte auf. Zum einen fragte er nicht, nach dem “was“, sondern nach dem “wer“. Demnach musste er eine Art von Vorstellung von der Entität Gottes haben, obwohl dieser kleine Junge nicht religiös erzogen wird. Zum anderen: Wie ist er dem Konzept von Gott als einer Person und wichtigen Autorität begegnet, begriff er doch Gott als eine Entität, die er zwar nicht sehen kann, deren Existenz aber von ihm vorausgesetzt wurde. Kurz gesagt, die Essenz von Universalien ist die bestimmende, unsichtbare Wesenheit, zu der die Menschen im Denken Zugang haben und die ihr Wissen von der Welt ordnet.

Was das Verhältnis von Universalien und Partikularien betrifft, gibt es verschiedene Denkhaltungen in der Philosophie. Plato dachte, dass die Universalien unabhängig von den Partikularien existieren (ante rem), während Aristoteles behauptete, dass sie abhängig von den Partikularien existieren, da sie in den Einzeldingen sind (in rem). Unsere Vorstellung vom Verhältnis zwischen Universalien und Partikularien bestimmt unser Weltverständnis, die Art, wie wir Dinge erfassen, unser Wissen organisieren und Unterschiede zwischen Substanzen machen. Ohne diese fundamentalen Entitäten hätten wir keine Vorstellung von Konzepten wie Gott, Liebe oder Mut.


1 Obgleich es einige Philosophen gibt, die bestreiten, dass Zahlen wirklich existieren, anders als nur Ideen zu sein. Siehe Hartry Field: Science without Numbers. 2016.